28. Juni 2023
 

Macht euch snackable – die Zukunft der Fiktion im öffentlich-rechtlichen Kinderprogramm

Autor: VDD

Eine eher subjektive Zusammenfassung des DDV-Kinderfilm-Panels beim Filmfest München am 25.06.2023

 

von Jan Herchenröder, DDV-Geschäftsführung

 

„Geht’s noch billiger?“ war die Überschrift des von Drehbuchautorin Regine Bielefeldt (DDV) moderierten und von der AG Kinderfilm im DDV organisierten Panel, das am ersten Filmfest-Sonntag, trotz des frühen Morgens eine beträchtliche Zahl interessierter Gäste in den Karolinensaal des Münchner Amerikahauses locken konnte.

 

Auf dem Panel saßen: Dr. Maya Götz (Medienwissenschaftlerin & Leiterin des IZI), Nicole Kellerhals (Produzentin X Filme), Tobias Krell (Leiter Kinderfilmfestival München), Dr. Astrid Plenk (Programmgeschäftsführerin des KiKA), Katharina Reschke (Autorin) und Michael Stumpf (Hauptredaktionsleiter Kinder und Jugend ZDF).

 

Foto: DDV © www.TLF.de, auf dem Bild v.l.n.r.: Tobias Krell, Dr. Maya Götz, Nicole Kellerhals, Moderatorin Regine Bielefeldt, Katharina Reschke, Michael Stumpf, Dr. Astrid Plenk

 

Um Geld ging es zunächst nicht, sondern um Inhalte. Um das ganz junge Publikum als öffentlich-rechtlicher Sender zu erreichen, dafür - so die Wortbeiträge von ZDF und Kika gleichlautend – müssen non-lineare Ausspielwege in den Fokus genommen werden.

 

Die Zukunft ist online. Leuchttürme wie originäre fiktionale TV-Ereignisse für Kinder - egal ob online oder linear - sind dabei offensichtlich nicht Kern der Strategie. So auch nicht der Familienfilm als Lagerfeuer-Event, obwohl doch eine dänische Studie jüngst noch gezeigt hat, dass für Kinder im Alter von 7-9 Jahren das gemeinsame Schauen mit der Familie am Wochenende in der Wertigkeit noch vor dem Inhalt steht. Fiktion ist einer von mehreren Bausteinen einer breiten multimedialen Diversifikation der Formate, in der auch Unterhaltungs-, Wissens- und Informationssendungen eine immer größere Rolle spielen werden. Die jungen Zielgruppen ließen sich laut Michael Stumpf nur noch über eine große Bandbreite von Angeboten überhaupt erreichen und binden. Für ihn würde dazu auch der Bereich Gaming gehören, der aber erst aufgebaut werden müsste.

 

Um zu wissen, wie die Programme ankommen, nutzt u. a. Kika Erhebungen mit den drei Säulen Quote, Erfassung der Mediennutzungsdauer und Umfragen. KiKa sei aktuell in Umfragen zur Markenbeliebtheit auf Platz zwei hinter youtube – aber TikTok rücke immer weiter auf.

 

Die Medienwissenschaftlerin Maya Götz betont, dass Kinderprogramme die Lebenswirklichkeit der Kinder widerspiegeln sollten. In einer neuen Elternstudie wird zudem von über 70% der befragten Eltern für den Medienkonsum ihrer Kinder Programm aus Deutschland gewünscht. Lebenswirklichkeit widerzuspiegeln, gelingt laut ZDF im Wesentlichen in Doku- und Wissensformaten. Ganz beiläufig wird hier das fiktionale audiovisuelle Erzählen im Relevanz-Ranking herabgestuft. Dabei ist es doch der für die Fiktion typische Mix aus künstlerischer, informativer und emotionaler Weltaneignung der Lebenswirklichkeiten besonders sichtbar und erlebbar macht, möchte man erwidern.

 

Doch der Fokus richtet sich bereits auf Quantifizierungen und auf den Anteil von Animation und anderen Formaten.

 

Animation sei zwar beliebt, aber laut Götz auch immer flach. Lebenswirklichkeit findet sich hier insbesondere auch in den Figuren nicht angemessen repräsentiert. Immerhin: rein ausgehend vom Etat setzt das ZDF doppelt so viel Geld für Live-Action-Formate im Vergleich zur Animation ein. Beim KiKa gäbe es auch nur 56 % Animation unter den Programmangeboten im Vergleich zu 95% bei SuperRTL. Das sind die Durchschnittswerte. DDV-Stichproben haben auch beim KiKa Peaks im Animationstagesanteil deutlich über 70% ermittelt. Der Anteil des Real Films innerhalb des Live-Action-Segments dürfte ohnehin kleiner ausfallen.

 

Animation ist nach wie vor in Deutschland für Produzenten nur schwer zu finanzieren, weshalb in diesem Bereich zumeist gefördert koproduziert oder lizenziert wird.

 

Innovation in der Fiktion wird erwartet in kurzen bis Kürzestformaten – laut KiKa soll Fiktion „snackable“ sein, wie die zumeist angekauften Kurzfilme, dabei, so auch beim ZDF, wird auf Flexibilität der Formate gesetzt und immer mehr instant und billig produziert werden.

 

Kein kulinarischer Höhenflug, also, sondern Fiktion als Häppchen - schnell zubereitet, leicht zu portionieren, fraglich, ob dann bei Hunger auch einfach ohne Kauen reinzuwerfen und schnell verdaut? Klar zu sein scheint: digital lässt sich sehr spitz für die Ziel- bzw. Altersgruppen erzählen und mundgerecht in den Mediatheken servieren. Das Stück Margarita für 5-Jährige, ab 10 Jahren gibt es Pizza Funghi mit etwas Oregano?

 

Zubereitet wird der digitale Schmaus wesentlich wohl von NachwuchsautorInnen bzw. Einsteigern im Bereich Kindermedien. In den Fokus rücke laut KiKa und ZDF die Akademie für Kindermedien als Zukunftslabor und ThinkTank. Die dort geleistete Nachwuchsförderung durch „Clients Projects“ ist unter der Voraussetzung fairer Vergütung fraglos SEHR zu begrüßen.  Aber braucht es nicht auch ThinkTanks mit AutorInnen, die langjährige Erfahrung beim Schreiben für Kinder haben? Zukünftige Speisekarten mit neuen Variationen aus der Sterne- und der Ausbildungsküche?

 

Dass da zukünftig noch ganz andere Köche mitmischen könnten, zeigte sich, als Astrid Plenk spontan den Karolinensaal in einen ThinkTank verwandeln wollte. Sinngemäß: „Welche Ideen habt ihr? Was für Geschichten für die neuen kurzen Formate? Wie haltet ihr es mit KI?“

 

Die Frage nach der KI ließ die Moderation unbeantwortet, aber mit einem gewissen Nachhall im Raum stehen.

 

Es gab noch zu viel Konkretes abzuräumen wie den Faktor Geld. Hier blickt man leider in Untiefen, die zeigen:

Wir brauchen dringend Gemeinsame Vergütungsregeln mit ARD und ZDF inkl. KiKa für den Kinderfilm. Mit fairen Minutenpreisen und urheberrechtskonformen Verträgen jenseits des BuyOuts – mit Regelungen für Folgevergütungen und Beteiligungen am kommerziellen Erfolg sowie einer klaren Regelung für die Mediatheken!

 

Drängend auch die Frage, wo sich das Originäre und der originäre Familienfilm in Zukunft abbilden werden, wenn doch weiterhin alte IPs und Märchen dominieren.

 

Foto: DDV © www.TLF.de

Pumuckl als Kinofilm – das schätzt Tobias Krell („Checker Tobi“) als berechtigtes Angebot ein. Denn: immer weniger Familien finden gemeinsam den Weg ins Kino. Auch in der Kindersektion des Filmfests wird daher auf eine Bandbreite der Genres gesetzt, in dessen Zentrum auch große IPs stehen müssten.

 

Große Kinofilme für Kinder zu finanzieren sei laut Nicole Kellerhals bei notwendigen Etas zwischen 4 – 5 Mio. sehr schwierig bis unmöglich. Originäre Kinofilme zu finanzieren – laut ZDF und KiKa nicht möglich ohne das Programm „Besonderer Kinderfilm“. Auch darüber hinaus müssten aus Sicht von ZDF und KiKa die Förderungen in Deutschland mehr Mittel für den Kinderfilm bereitstellen, womit wir in eine Henne-Ei-Problematik geraten. Denn muss nicht zuallererst der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Invest in die deutsche Förderlandschaft nachhaltig garantieren und anheben, statt hier zu kürzen? Vielleicht zukünftig auch in Form einer Ankaufsverpflichtung? Kommt nicht erst danach die Frage der Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel? Natürlich soll und muss der Kinderfilm auch hier im Rahmen der FFG-Novellierung gestärkt werden.

 

Was heißt diese Situation für das Programm und die Kreativität der AutorInnen:

 

Wo nicht kurz gebraten wird, kommt es also zum Aufguss alter Klassiker. Pumuckl, Biene Maja und co. – das sind laut KiKa ernstzunehmende, spannende kreative Herausforderungen für AutorInnen, die aus diesen alten Marken bzw. IPs, neue, zeitgemäße Geschichten ableiten sollen. Daneben alte beliebte Marken als Dauerbrenner wie das ZDF-Format Löwenzahn.

 

Und überhaupt bleibt auch das Märchen ein Genre, das weiter hochgehalten wird - auch in Koproduktion des KiKa mit Tschechien, einem Mutterland des Märchenfilms. Lieber der xte Grimm’s-Märchen-Aufguss, als Kinder- und Familienfilme aus dem Hier und Jetzt. Hierin liegt dann auch das Rezept, der verlockenden Konkurrenz durch die Streamer mit süßer Speise für Kinder und Familien in Deutschland zu begegnen.  Denn merke: das Genre Märchen, nichts anderes bietet doch am Ende Disney+…

Für AutorInnen im Kinderbereich gilt also vorerst mit Blick auf Innovation: macht euch snackable.

 

Die Welt hat gelernt, dass sich z. B. mit Amerikanischen Klappstullen sehr viel Geld verdienen lässt. Vielleicht...ganz vielleicht...vermutlich aber nicht gilt dies zukünftig für das kleine fiktionale Instant-Häppchen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

 

Herzlicher Dank für die offene und sehr informative Gesprächsrunde an alle TeilnehmerInnen, für die gelungene Moderation an Regine Bielefeldt, für die Organisation an die AG Kinderfilm und die DDV-Geschäftsstelle sowie an das Filmfest München als Kooperationspartner.