27. Juni 2022
 

Quo vadis, Fiction? Erfolgreiches VDD-Panel auf dem Münchner Filmfest

Autor: VDD

Hauke Bartel, Leitung Fiktion RTL+/RTL Deutschland, Dr. Claudia Gladziejewski, BR, Redaktion Kino und Debut, und der Produzent Martin Richter, Rat Pack, diskutierten am 24. Juni zusammen mit Nicole Mosleh und Katharina Amling (VDD) die (mögliche) Zukunft der deutschen Fiktion.

 

Im ausgebuchten Karolinensaal des Münchner Amerikahauses gab es auf diese komplexe Frage keine einfachen Antworten. Aber Einblicke in Gedankengänge und Entscheidungsprozesse innerhalb der Sender. Hauke Bartel bringt die Anforderungen von RTL/RTL+ auf den Punkt: „Stoff, der nicht unterhält, ist bei uns an der falschen Stelle.“ Dabei kommt es weniger auf das Thema an, RTL scheut sich nicht vor schweren, sperrigen Geschichten wie beispielsweise DAS WEISSE SCHWEIGEN, in dem es um das tödliche Treiben eines Krankenpflegers geht, vielmehr geht es darum, WIE eine Geschichte erzählt wird, dass sie das Publikum abholt. Martin Richter stimmt dem zu und führt aus, dass in seiner Wahrnehmung als Produzent die Streamer zunehmend differenzierter agierten und damit erkennbarer in ihrem Profil seien. Die Angebote müssen passgenau auf den jeweiligen Anbieter zugeschnitten sein, also kein One Story fits all.

 

Foto: v.l.n.r: Nicole Mosleh, Martin Richter, Katharina Amling, Hauke Bartel, Dr. Claudia Gladziejewski, © Thomas L. Fischer

Der Boom der Streamer und die nun zu beobachtenden ersten Momente der Ernüchterung, werden von Claudia Gladziejewski mit dem Aufkommen der Privatsender Mitte der 80er Jahre verglichen: Am Anfang ist es eine große Aufregung, eine Welle, dann sortiert und beruhigt sich der Markt wieder. Die öffentlich-rechtlichen Sender stünden aber nicht still und warten, bis sich der Sturm gelegt hat, sondern seien – vor allem mit ihren Nachwuchsprogrammen am Puls der Zeit und versuchten – was nicht zuletzt den langen Vorlaufzeiten für fiktionale Produktionen geschuldet sei – Themen zu erspüren, die in zwei, drei Jahren relevant sein könnten.

 

Auch die Zukunft des Kinos ist Thema in der Runde. Das Kino, aber auch der TV-Film oder die Serie, die man am Abend zuvor genetflixt hat, hätten, da ist man sich einige, ihren Lagerfeuercharakter verloren. Eine Erklärung dafür ist, dass es immer schwerer für eine einzelne Produktion wird, sich in der Masse der Angebote die dafür notwendige Aufmerksamkeit zu erkämpfen. Dieser Kampf um Aufmerksamkeit könnte ein Grund dafür sein, warum gerne mit bekannten und erfolgreichen Marken gearbeitet wird: Hier hat die Zuschauerin, der Zuschauer bereits signalisiert, Interesse am Thema, am Genre zu haben, darauf kann man aufbauen.

 

© Thomas L. Fischer

Natürlich wurde auch auf diesem Podium darüber diskutiert, wie divers, wie politisch korrekt die Stoffe der Zukunft sein müssen. Diversität kann als erzählerische Chance begriffen werden, betont Hauke Bartel, denn in der gezielten Ansprache von bislang unterrepräsentierten Gruppen in der Bevölkerung liegt auch großes wirtschaftliches Potential. Formate wie Princess/Prince Charming erfahren große Akzeptanz. Aber zu korrekt kann und darf vor allem Komödie nicht sein, führt Hauke Bartel aus und zitiert einen US-amerikanischen Comedian: When you are woke, you are broke! Es gibt also eine Offenheit für die gekonnte Provokation, allerdings muss immer klar unterschieden werden zwischen der Haltung einzelner Figuren und der des Senders. Als Beispiel führt er die Serie WRONG an.

 

Auch auf die Frage, warum Diversität nach wie vor ein problematisches Thema ist, gibt es Antworten aus der Runde: Autorinnen und Autoren aus bildungsfernen, prekären Elternhäusern mit Migrationshintergrund sind – wenn überhaupt vorhanden – die absolute Ausnahme. Noch immer schreiben vor allem „biodeutsche Mittelschichtskinder“ fiktionale Stoffe. Ein Blick auf die Einreichungen zeigt, dass genau die besonders gerne über sich und ihre Peers schreiben, bestätigen alle Anwesenden. Deswegen würde man sich freuen, keine Stoffe mehr mit überforderten urbanen 30-Somethings, die das neue FLEABAG sein wollen (RTL) zu bekommen. Auch die Masse luschiger Versagermänner als Hauptfiguren, die trotzdem ganz knuffig sind, muss nicht noch größer werden (BR). Man freut sich über jede Form von überraschenden Ideen und neuen Perspektiven (Rat Pack), denn anders kann bei zu viel Gleichklang schon eine herausragende Qualität sein … Denn auch in der Zukunft der Fiktion gilt die Goldene Regel der leichten wie gehobenen Unterhaltung: Du sollst nicht langweilen!

 

Das große Interesse an der Panel-Diskussion hat gezeigt: Die VDD-Vorstände Katharina Amling und Nicole Mosleh haben mit der Themensetzung einen Nerv getroffen.

Für Organisation und Moderation sagen wir Euch: herzlichen Dank! Danke auch an Vorstand Regine Bielefeldt für die tolle Unterstützung auf den letzten Metern!

Und natürlich auch besonderen Dank an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer!