ERFOLGREICH - als Drehbuchautor. Von Felix Huby
In Gedenken an unser langjähriges Mitglied Felix Huby veröffentlichen wir hier einen seiner Texte, den er vor 20 Jahren für das VDD-Magazin SCRIPT geschrieben hat. Diese Zeilen sind nicht nur Zeugnis seiner unvergleichlichen Art, sondern auch unserer Branche - damals und zum Teil noch heute.
E R F O L G R E I C H - als Drehbuchautor
von Felix Huby
Sie wollen wissen, wie das geht und zwar an meinem persönlichen Beispiel?
Na denn, beachten Sie die folgenden fünfzehn Punkte:
1. Sorgen Sie dafür, dass Sie erst einmal eine Lebenspleite erleben.
Ich bin während des Abiturs von der Schule geflogen und musste sehen, wie ich ohne Ausbildung, ohne Studium und ohne einen Pfennig Geld trotzdem irgendetwas werde. Das ist sehr karrierefördernd, vorausgesetzt, Sie ringen sich eine Trotzreaktion ab und scheuen auch vor List und Tücke nicht zurück.
2. Lassen Sie keine Chance ungenutzt, und vertrödeln Sie die Zeit nicht mit Dingen, die Sie nicht weiterbringen.
Das ist wie bei einem guten Drehbuch, da schreibt man auch nur Szenen, die die Handlung voranbringen. Fahren Sie zum Beispiel nicht in Urlaub, und wenn Sie doch fahren, nutzen Sie die Tage, um zu schreiben. Sie haben inzwischen eh erkannt, dass nichts mehr Spaß macht.
3. Verbringen Sie zwei, drei Jahre in der Werbung.
Nichts hat bei mir die Prägnanz beim Schreiben, die Fähigkeit kurz und plakativ zu formulieren mehr geschult, als meine Arbeit als Texter in einer Agentur.
4. Lernen Sie Leute kennen, scheuen Sie vor niemandem zurück.
Der alte Trick hilft: Stellen Sie sich den mächtigen TV-Redakteur, den Produzenten, den berühmten Regisseur oder Altautor im Nachthemd vor. Irgendwann hört das dann auf mit den schweißnassen Händen, dem Stottern und dem Überreagieren im Gespräch. Man wundert sich, wie sehr die meisten doch mit Wasser kochen und wie dünn die Bretter sind, die solche Leute bohren.
5. Verlieren Sie nie das Ziel aus den Augen.
Kurzgeschichten sind etwas Schönes, Romane bringen Reputation (wenn sie gut sind und trotzdem Leser finden), Hörspiele werden von Kollegen beachtet, die auch Hörspiele schreiben. Aber Sie wollen ja auch reich und erfolgreich werden, und das geht nur, wenn Sie fürs Fernsehen schreiben. Das heißt, lesen Sie alles, was über die Entwicklung im TV-Geschäft geschrieben wird, besuchen Sie Kurse und Übungen, besuchen Sie Tagungen. Lesen Sie vor allem gute Drehbücher. Die gibt es zum Beispiel in einer Fischer-Taschenbuchreihe zu kaufen, von Allen bis Zingler.
6. Sagen Sie nie, das kann ich nicht.
Trauen Sie sich etwas zu. Sie werden sehen, wenn Sie bemüht sind, die Ansprüche der Branche zu erfüllen und sich ständig zu verbessern, schaffen Sie das auch. Vieles in unserem Beruf kann man lernen und trainieren. Und scheuen Sie sich nicht, Hilfe zu holen, wenn Sie einem Auftraggeber gesagt haben: „Selbstverständlich kann ich das“ und dann doch unterwegs das Zutrauen an sich selbst verlieren.
7. Sorgen Sie dafür, dass Sie nicht vergessen werden.
Sie werden vergessen, wenn Sie nicht ständig an sich erinnern. Redakteure und Produzenten sind überlastet. Auch die besten Entwürfe und Manuskripte bleiben liegen und setzen Schimmel an, wenn man nicht regelmäßig nachhakt. Melden Sie sich auch außer der Reihe. Ich habe schon oft einen Auftrag bekommen, nur weil ich grade da war („Gut, dass Du kommst, hättest du vielleicht Lust...")
8. Halten Sie Ihren Autorenstolz im Zaum.
Samuel Goldwyn sagt zwar: „So wie ein Fluss nicht höher steigen kann als die Quelle, aus der er entspringt, so kann ein Film nicht besser sein als die Geschichte, die er erzählt und die steht im Buch“, aber leider ist bei einer Film- oder Fernsehproduktion irgendwie jeder Mitautor. Sobald so ein Producer oder Redakteur, vom Regisseur ganz zu schweigen, ein Buch auf den Tisch bekommt, macht es klickidiklick in seinem Kopf und er hat tausend Ideen, was man anders oder zusätzlich machen kann. Für diese Leute ist ein Drehbuch Knetmasse. Sie müssen sich dem stellen und bereit sein, über Ihr Buch so zu sprechen als stünde immer alles zur Disposition. Testen Sie Ihre Leidensfähigkeit, aber entwickeln Sie auch eine Strategie, Ihre Ideen durchzuboxen. Manchmal hilft es, das Buch einfach unter den Arm zu klemmen und zu sagen: „Okay, okay, ihr habt Recht, der Anzug ist so verschnitten, da braucht man einen neuen Stoff. Ich bring‘ euch in vierzehn Tagen ein neues Buch.“
9. Halten Sie unbedingt die Termine ein.
Außer Dieter Wedel und Wolfgang Menge kann sich kein deutscher TV-Autor leisten, nicht halbwegs pünktlich zu liefern. Dafür hängt zuviel dran. Ein 90-Minuten-Film kostet heute in der Produktion 1,5 Millionen Euro. Sie kriegen vielleicht 28.000 Euro fürs Buch. Setzen Sie sich in dieses Größenverhältnis.
10. Gucken Sie fern.
Wenn ein Produzent sagt, „den Schauspieler kennen Sie, der hat in der XY-Produktion den Killer gespielt“ und Sie haben den nicht gesehen, haben Sie schon ganz schlechte Karten. Aber auch aus anderen Gründen sollte man up to date sein. Die Themen ändern sich, die Erzählweisen ebenso. Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg, also machen Sie sich kundig, was grade die großen Erfolge bringt. Noch besser, entwickeln Sie Gespür für Trends.
11. Bieten Sie nie Geschichten mehreren Produzenten oder Sendern gleichzeitig an.
In dieser Branche weiß immer jeder von jedem alles. Wenn Sie es dennoch tun, sagen Sie klipp und klar jedem Adressaten, dass Sie auch andere angesprochen haben.
12. Beugen Sie Ideenklau vor.
Wenn ein Produzent zu einem Vorschlag von Ihnen sagt: „Interessant, aber wir haben grade was ganz Ähnliches in der Mache“, dann hat er Ihre Idee schon geklaut! Das Fatale ist, dass Ideen nicht schützbar sind, bevor sie nicht zu einem unverwechselbaren Werk gediehen sind. Kurze Exposés oder gar mündlich gepitchte Stoffe kann jeder mit anderen Autoren umsetzen. Ist Ihre Idee aber schon zu einem unverwechselbaren Werk gediehen, empfiehlt es sich, das Werk mitsamt dem Brief, den Sie dem Sender oder dem Produzenten schreiben, mit genauer Datumsangabe bei einem Anwalt oder Notar zu hinterlegen.
13. Arbeiten Sie nicht umsonst.
Jeder Produzent erzählt Ihnen, dass er im Vorfeld einer Produktion leider kein Geld habe, und dass der Autor natürlich seinerseits auch ein bisschen was in ein vielversprechendes Projekt investieren müsse. Aber so haben wir nicht gewettet. Der Produzent, manchmal der Sender, tragen das Risiko und nicht der arme Poet – nicht mal der reiche Poet! Nimmt ein Produzent Ihr Exposé oder Ihren Serienentwurf an, bestehen Sie auf einen Passus im Vertrag, der etwa so lauten sollte: „Kommt es zur Realisierung des Drehbuchs (der Serie) wird der Autor mit dem Verfassen der Drehbücher beauftragt.“
14. Machen Sie nie vorschnell einen Vertrag.
Verträge sind voller Fallstricke. Holen Sie sich Rat beim Verband der Drehbuchautoren, beim VS, bei einem Verlag, bei einem Agenten, einem Kollegen oder einem Rechtsanwalt. Und gehen Sie nicht davon aus, dass der nächste Vertrag wieder genauso sein wird, wie der letzte auch, wenn er auf den ersten Blick genau gleich aussieht. Aus ein ist schnell kein gemacht. Die Auftraggeber versuchen es immer wieder Sie abzuzocken.
15. Wenn Sie die ersten Erfolge haben, bleiben Sie auf dem Teppich.
Ich kenne viele Geschichten von Kollegen, die nach den ersten zwei, drei Filmen oder auch der ersten Serie glaubten, nun seien sie am Ziel. Die kaufen sich dann ein Bauernhaus im Westerwald oder eine Finca auf Mallorca. Aus ist es mit den kurzen Wegen, den raschen Treffen. So schnell, wie Sie in diesem Geschäft drin sind, können Sie auch wieder draußen sein. Achten Sie darauf, präsent, ich könnte auch sagen, verfügbar zu sein.
© 2002 Felix Huby